Auch 2025 gelingt es dem Lindauer Seminar wieder, seinem exzellenten Ruf als europaweit bedeutendstes Seminar zu allen Themen rund um das Kanalmanagement gerecht zu werden. Mehr als 30 Referentinnen und Referenten aus Wissenschaft und Praxis präsentierten ihre Arbeitsergebnisse und diskutierten unter der Leitung von Univ.-Prof. Max Dohmann, Prof. Karsten Kerres und Univ.-Prof. Karsten Körkemeyer mit den über 600 Teilnehmenden über aktuelle sowie zukünftige Herausforderungen und mögliche Lösungsansätze. Doch nicht nur im Vortragssaal blieb es spannend: Im Foyer sowie auf dem Außengelände der Inselhalle Lindau präsentierten 89 Aussteller ihre innovativen Produkte und Dienstleistungen und luden Interessierte zum angeregten Austausch ein.
Die Eröffnung und Begrüßung der Teilnehmer erfolgten traditionell durch die Familie Jöckel – in diesem Jahr vertreten durch Tobias Jöckel – und durch die Oberbürgermeisterin der Stadt Lindau, Dr. Claudia Alfons.
Vor dem ersten Fachvortrag gab es mit dem Vortrag von Thorsten Glauber, Bayerischer Staatsminister für Umwelt und Verbraucherschutz und studierter Architekt, eine Premiere in der Geschichte des Lindauer Seminars: Erstmals – und das unterstrich die gesellschaftliche und damit politische Relevanz der Siedlungsentwässerung – wurde der Impuls zum Seminar von ministerieller Seite gestaltet. Herr Glauber stellte die Notwendigkeit der Partnerschaft zwischen Politik und Fachwelt der Wasserwirtschaft sowie die sich daraus ergebenden Konsequenzen in Bayern und darüber hinaus dar. Seine Appelle: Wasserwirtschaft integral denken, vor allem mit Blick auf den Hochwasserschutz, und wasserwirtschaftliche Berufe sowie Berufsfelder sichtbar machen! Seiner Aussage nach stelle die Wasserinfrastruktur einen Schatz dar, der den Menschen erklärt und durch Ingenieurexpertise erhalten werden müsse. Schließlich seien Wasserver- und Abwasserentsorgung nicht selbstverständlich.
Herausforderung und Perspektiven
Mit einem zweiten Impulsvortrag „Immer in Bewegung bleiben: Perspektiven für die Mobilität der Zukunft“ eröffnete Andreas Hentschel, Chefredakteur der HANSER automotive, München, den ersten Block der Fachvorträge und sorgte gleichzeitig dafür, dass die Teilnehmer – über den fachlichen Tellerrand von Abwasser und Siedlungsentwässerung hinaus – auf das Themenfeld der Mobilität blickten. Schließlich würden in Deutschland pro Jahr rund 600 Mrd. Kilometer mit dem Auto zurückgelegt – das entspräche etwa 2 000 Fahrten zur Sonne und zurück! Wenig verwunderlich also, dass die Automobilindustrie in Deutschland den drittgrößten Industriezweig bilde. In seinem Vortrag sprach Hentschel über die Autos von morgen und den Weg, der bis heute in der Automobilentwicklung zurückgelegt wurde. Die Teilnehmer regte er an, in Bewegung zu bleiben und mit der Zeit zu gehen, denn für die Zukunft brauche es eine agilere Industrie mit neuem Mindset, nicht nur beim Thema Mobilität.
Univ.-Prof. Max Dohmann aus Aachen stellte daran anschließend „Aktuelle Herausforderungen an zukunftsfähigere Entwässerungssysteme“ vor. Die zugehörigen Maßnahmenschwerpunkte lägen neben der Erhaltung der vorhandenen Infrastruktur in der Intensivierung der Investitionen; allein in Deutschland würden die erforderlichen Investitionen für Klimaanpassungsmaßnahmen auf über acht Mrd. € pro Jahr geschätzt. Aufgrund der Alterungsstruktur der Entwässerungssysteme sei zukünftig außerdem mit steigenden Instandhaltungsaufwendungen zu rechnen – in jedem Fall bliebe also viel zu tun. Zudem wies Univ.-Prof. Dohmann auf die Problematik der „Richtlinien zur verkehrsrechtlichen Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen — Ausgabe 2021“, kurz RSA 21, hin, die zu massiven Verzögerungen führe und einen notwendigen Punkt für Bürokratieabbau darstelle.
Den letzten Beitrag des ersten Blocks lieferte Ekkehard Pfeiffer, Geschäftsbereichsleiter „Mitglieder und Strategie“ bei EGLV und Vorsitzender der DWA-Koordinierungsgruppe „Wasserwirtschaftliche Strategien zum Klimawandel“ aus Essen, mit seinem Vortrag über „Schwammstadtkonzepte – Interaktion zwischen blau-grüner Infrastruktur und Kanalisation“. Darin sprach Herr Pfeiffer neben den (bekannten) Herausforderungen auch über die bereits heute merkbaren Symptome des Klimawandels, die sich neben den erhöhten Temperaturen vor allem auch in Veränderungen des Niederschlagsgeschehens und neuen Klassen von Extremereignisse zeigten. Der Klimawandel beschleunige sich, und bringe vor allem Aufgaben zur Überflutungs- und Starkregenvorsorge urbaner Räume mit sich. Ein Lösungsansatz liege in der wassersensiblen Stadtentwicklung (WSSE) und den zugehörigen Konzepten der Schwammstadt. Eine Möglichkeit zur Berücksichtigung der damit einhergehenden interdisziplinären Ansätze wurde über das Kooperationsmodul „ZUGABE“ (kurz für „Zukunftschancen Ganzheitlich Betrachten“) als GIS-gestütztes Tool zur übergreifenden Planung und der multi-kriteriellen Bewertung vorgestellt und an Praxisbeispielen erläutert.
Aufgaben in der Siedlungsentwässerung
Den zweiten Vortragsblock eröffnete Anne Fleu, Institute of Smart City Engineering (ISCE) der FH Aachen, mit ihrem Vortrag über „Integrales Instandhaltungsmanagement – Das innovative Abwasserbeseitigungskonzept der Alten Hansestadt Lemgo“. Darin stellte sie nicht nur das NRW-Pilotprojekt „ABKinnovativ“ sowie das zugehörige Instrument ABK vor, sondern erläuterte auch Grundlagen der Zustands- und Substanzbewertung von Entwässerungssystemen. So solle im innovativen ABK zukünftig nicht mehr nur die (prioritäre) Zustandsbewertung des Kanalnetzes berücksichtigt, sondern auch dessen Substanzbewertung. Möglich wird dies beispielsweise über das kostenfreie QGIS-Plugin QKan, das im Rahmen des Pilotprojekts weiterentwickelt wurde; damit lasse sich auf Basis der nach DWA‑M 149–2/3 erhobenen Zustandsdaten auch die Substanz für Haltungen ermitteln und für die Aufstellung von Sanierungsstrategien und Planung von Instandhaltungsmaßnahmen nutzen.
Anschließend stellte Alina Kosmützky, Stadtentwässerungsbetriebe Köln AöR, in ihrem Vortrag den „Leitfaden für die Dimensionierung öffentlicher Entwässerungsanlagen und zum Starkregennachweis“ vor. Dieser diene als Handbuch für Planer, um in ihren Projekten den StEB-Standard berücksichtigen zu können. Der Fokus liege dabei im Niederschlagswassermanagement. Neben Erläuterungen zur Nachweisführung, getrennt nach öffentlichen bzw. privaten sowie ober- und unterirdischen Flächen, befänden sich auch Planungshilfen für blau-grüne Infrastrukturen im Leitfaden, die im Vorfeld bereits mit den verschiedenen Fachämtern abgestimmt wurden und die so den Betrieb erleichtern sollen. Gefordert werde, dass Starkregenereignisse der Jährlichkeit Tn = 100 a im öffentlichen Raum schadenfrei oberirdisch abgeleitet werden könnten. Zusätzlich zum vorgestellten Leitfaden-Inhalt befände sich derzeit auch eine Erweiterung in Form einer Planungshilfe für blau-grüne Infrastrukturen in Arbeit.
Ingo Zimmer, THE MALAMUTE Leipzig, stellte in seinem Vortrag „Die Ausbildung und Förderung von Mitarbeitern als Mittel gegen den Fachkräftemangel“ die modernen Wege der Aus- und Weiterbildung vor, die er mit seinem Team und seinen Kunden beschreitet. Das neue Bürokonzept des THE MALAMUTE vereine dabei die verschiedenen Funktionen von modernem Arbeitsplatz, (Weiter-)Bildungs- und Veranstaltungsort mit Bar. Zimmer warf die Frage auf, ob es wirklich an Fachkräften, oder eher noch an echter Weiterbildung mangele. Seiner Ansicht nach sei Weiterbildung häufig Zeitverschwendung, wenn sie sich nicht an den Bedürfnissen der Mitarbeitenden orientiere. Er forderte Arbeitgeber dazu auf, sich folgende Fragen zu stellen: Welche Weiterentwicklung braucht das Unternehmen? Und wie kann die Weiterbildung, die ein Mitarbeiter sich wünscht, das Unternehmen weiterbringen? Schließlich müsse – um alle Altersstufen der Mitarbeiter abzuholen – die Möglichkeit bestehen, über die Weiterentwicklung zu wachsen – und nicht nur die Zeit abzusitzen.
Zum Abschluss des zweiten Blocks trug Ulrich Jöckel, JT-elektronik GmbH in Lindau, über die „Kontrolle von Grundstücksentwässerungsanlagen in der Kostenanalyse“ vor. Seiner Aussage nach würde die Instandhaltung der rund 1,2 Mio. Kilometer privater Grundstücksentwässerungsanlagen (GEA) in Deutschland nicht ausreichend kontrolliert; gleichzeitig seien viele Unternehmer der Branche unzufrieden, wenn sie die Rechnung über die erbrachten Leistungen schrieben. Die geltenden Regelwerke seien komplex und für die Mitarbeiter in der Praxis oft nur schwer umsetzbar. Dabei sei die praktische Umsetzung aber entscheidend, denn Fehler draußen, bei der Inspektion, ließen sich bei der weiteren Bearbeitung im Büro nicht mehr ausgleichen. Umso wichtiger sei es zukünftig, die Inspektion und Instandhaltung von GEA bei neu verlegten Haltungen mit zu denken, damit man auch hier von den neuen Entwicklungen – wie z.B. Einsatz von KI bei der Auswertung – profitieren könne.
Aussteller Speed-Forum
Auch in diesem Jahr fand das mittlerweile traditionelle Aussteller Speed-Forum statt, erneut moderiert von Herrn Dr. Christian Falk aus Dortmund. Insgesamt neun Institutionen stellten in kompaktem Format innovative Systeme und spannende Methoden rund um die Themen Bauwerksreinigung und ‑inspektion, Kanal- und Schachtsanierung, Material und KI vor. Das Aussteller Speed-Forum konnte somit auch 2025 die Relevanz und Praxisnähe des Lindauer Seminars unterstreichen.
Zustandserfassung und Bewertung
Der dritte Vortragsblock wurde durch Prof. Bert Bosseler, IKT – Institut für Unterirdische Infrastruktur gGmbH Gelsenkirchen, mit seinem Beitrag über „Aktuelle Erfahrungen aus dem IKT-Projekt ZEMuS“ eröffnet. Das Projekt ZEMuS, kurz für „Zustandsentwicklung von Abwasserkanälen und ‑bauwerken, datenbasierte Prognosen, bautechnische Modelle und risikoorientierte Strategien“, untersuche die Zustandsentwicklung der Entwässerungssysteme über die Zeit, in Ergänzung zu den Alterungsprognosen, die bislang bereits existieren. ZEMuS grenze sich insofern von anderen Untersuchungen ab, als dass üblicherweise nicht die Schadensursache – das Warum der Schäden – betrachtet würde. Dort setze ZEMuS unter Nutzung von physikalischen Modellen an: So könne man aus den „Situationsdaten die Mechanismen erkennen und erklären“, Schäden ließen sich auf diese Weise „beheben und vermeiden“, so Prof. Bosseler. Dazu vergleiche man Schadensbilder an der gleichen Position zu unterschiedlichen Zeitpunkten, teils unter Einbezug der Oberflächenstruktur. Die für Betreiber interessantesten Schadensbilder seien dabei komplexe Risse/Scherben, Korrosion, schadhafte Anschlüsse, verschobene Verbindungen sowie Kombinationen dieser Fälle. Er stellte fest, dass es bisher noch nicht möglich sei, nur anhand der Daten alle Schadensbilder zu erklären – er sei aber zuversichtlich, die richtigen Hypothesen zur Ursache aufstellen zu können.
Anschließend stellte Markus Schäfer, Planungsgemeinschaft Häfner-Oefner (Langenselbold) in seinem Vortrag „Drohnenflug aus der Praxis – Potenzial und Grenzen?“ an einem Praxisbeispiel der Stadt Offenbach dar, was es beim Einsatz von Drohnen bei der Kanalinspektion zu beachten gelte. Im Beispiel war die Drohne erfolgreich für die Inspektion von schwer zugänglichen Ei- und Rechteckprofilen der Größe DN 800 bis DN 1000 eingesetzt worden. Auf Basis der erfassten Inspektionsdaten konnte dann eine Zustandsbewertung und Sanierungsplanung erfolgen. Der Drohnenflug zur Kanalinspektion eigne sich daher besonders dort, wo „klassische Methoden“ nicht funktionierten und wo eine „‘einfache‘ Zustandserfassung“ ausreiche, so Schäfer; wegen der verhältnismäßig hohen Kosten (im Vergleich zur Kamerabefahrung am Beispiel ca. Faktor Fünf) und der noch vorhandenen technischen Limitierung (spezielle Reinigungsverfahren der Haltung erforderlich, Akkulaufzeit der verwendeten Geräte aktuell nur ca. acht Minuten) eigne sich die Drohne zwar bislang nicht als Ersatz für die Kamerabefahrung, empfehle sich aber als Ergänzung zu vorhandenen Inspektionsmethoden.
Stefan Gier, Geschäftsführender Gesellschafter der Rother & Partner Ingenieurgesellschaft mbH aus Eschwege, referierte in seinem Vortrag „Digitaler Zwilling Tunnelentwässerung – Erkenntnis aus dem Leistungstest von Hessen Mobil“ über den Einsatz von 3D-Laserscan-Vermessungsdaten zur Erstellung eines BIM-fähigen digitalen Zwillings des „Schürzebergtunnels“ in Hessen. Das Ziel sei eine hochgenaue digitale Darstellung des 600 m langen Tunnelbauwerks inklusive der ca. vier km unterirdischen Entwässerungsanlagen gewesen. Dazu wurden 3D-Laserscan-Aufnahmen von Tunnel‑, Schacht- und Entwässerungsbauwerken durchgeführt; Inspektion und Verlaufsmessung des Entwässerungssystems erfolgte mittels Lindauer Schere und 3D ASYS. Das Ergebnis: Ein 3D-Zwilling des Tunnels, das „für alle Projektbeteiligten über die gesamte Lebensdauer der Infrastruktur“ zur Verfügung stehe und einen vereinfachten Zugang zu allen zentralen Bauwerksdaten liefere, und das darüber hinaus „für weitere Anwendungen wie Starkregensimulationen“ genutzt werden könne, so Gier. Positiv auffallend sei dabei der geringe Zeitbedarf der Umsetzungen gewesen: alle Außendienst-Arbeiten seien innerhalb von vier Tagen abgeschlossen gewesen.
Den letzten Vortrag des dritten Blocks hielt Birgit Schalter der Dr.-Ing. Pecher und Partner Ingenieurgesellschaft mbH, Berlin zum Thema „Datenaufbereitung für die KI – erwartbare Ergebnisse“. Darin erläuterte sie u.a., wie die Datenaufbereitung in Form von Labeling zum KI-Training erfolge, welchen Einfluss die Kameraart auf die KI-Ergebnisse habe, wie sich die Zuverlässigkeit der KI-Ergebnisse über Nachtrainings verbessern lasse, und welchen Nutzen der Einsatz von KI zur Schadenserfassung für die Betreiber habe. Schalter stellte dabei fest, dass durch die KI grundsätzlich nur solche Schäden erkannt werden könnten, die zuvor in ausreichender Anzahl und Eindeutigkeit trainiert wurden. Festzuhalten sei, so Schalter, dass die KI die „Effizienz der Zustandserfassung“ erhöhe, dazu im Training aber auf homogene Daten angewiesen sei.
Digitale Methoden zur Unterstützung des Kanalmanagements
Den vierten und damit letzten Vortragsblock des ersten Veranstaltungstages eröffnete Egon Donia Nota, GRUNDFOS GmbH aus Erkrath, mit seinem Beitrag zum Thema „Datenanalyse und Sensorüberwachung – Digitaler Zwilling“. Dazu stellte er die Softwarelösung GRUNDFOS Utility Analytics vor: Die zentrale Datenmanagement-Plattform integriere Daten aus verschiedenen Quellen, analysiere diese und visualisiere sie dann in verständlicher Form. Zusätzlichen könnten „historische“ Daten mit aufgenommen und zur vereinfachten Prognose zukünftiger Probleme genutzt werden. Weiterhin präsentierte Herr Donia Nota das Sensorsystem GRUNDFOS Connect Sewer, das über schnell einzubauende Sensortechnik mit Anschluss an eine Cloud die Echtzeitüberwachung von Abwassersystemen ermögliche.
Peter Nitzsche-John, AmperVerband (Olching), referierte in seinem Vortrag „IT-gestützte Sanierungs- und Budgetplanung als Baustein in der Transformation der Infrastruktur – Mehrwert für Mensch und Umwelt“ über die Erfahrungen des AmperVerbands bei der Sanierungskonzeptionierung mit der KI-gestützten Planungssoftware stratIS-kanal der Firma aquadocs. Die KI-gestützte Software bilde aus den Zustandsdaten der optischen Inspektion automatisiert eine Sanierungsplanung mit Kostenvergleichsrechnung; dies verbessere den Überblick, ermögliche eine Variantenbetrachtung und darauf aufbauend die Auswahl einer Vorzugsstrategie, so Nitzsche-John. So ließen sich langfristig der Kanalnetzerhalt und die Transformation der Städte erreichen.
Anschließend erläuterte Prof. Karsten Kerres, Institute of Smart City Engineering (ISCE) der FH Aachen, in seinem gemeinsam mit Sylvia Gredigk-Hoffmann (ebenfalls ISCE) erstellten Vortrag „Untersuchungen zur Qualität KI-basierter und manueller Kanalzustandsbeschreibung für die Stadtentwässerung Frankfurt a.M. – Ergebnisse und Konsequenzen“ Unterschiede der Zustandsbeschreibung bei manuell und durch eine KI kodierten Haltungen eines Frankfurter Teilnetzes. Unterschiede ergäben sich vor allem aus Feststellungen zu Oberflächenschäden, Inkrustationen und mangelhaften Anschlüssen. Zusätzlich ließe sich feststellen, dass sowohl bei der manuellen als auch bei der durch die KI vorgenommenen Kodierung verschiedene Probleme bei der Zustandsbeschreibung auftauchten. Mit Novellierung der DWA‑M 149–3 im Jahr 2024 erhalte außerdem der BDD-Kode (Wasserspiegel) mehr Bedeutung, da dieser gem. DWA nun durch eine Einzelfallbetrachtung zu bewerten sei. Im vorgestellten Beispiel habe die KI dieses Schadensbild so oft festgestellt, dass gem. M 149–3:2024 statt 41 % jetzt rund 64 % der 8.060 inspizierten Haltungen von einer Einzelfallbetrachtung betroffen seien. Festzuhalten sei, so Prof. Kerres, dass in diesem Vergleich der Mensch durch eine höhere Effizienz und die KI durch eine größere Akkuratesse punkteten und dass das aktuelle Regelwerk (noch) nicht auf die KI-basierte Zustandsbeschreibung ausgerichtet sei.
Den Abschluss des ersten Veranstaltungstages machte Johann Buchmeier, Vorstand Gemeinsames Kommunalunternehmen Abwasserdienstleistung Donau-Wald (gKU), Niederwinkling, mit seinem Vortrag „Innovatives Assistenzsystem für die Kanalinspektionstechnik“. Darin berichtete er über den Zusammenschluss der 17 beteiligten Gemeinden aus zwei Landkreisen zur Kooperation im Abwasserbereich. Dieser Zusammenschluss ermögliche eine Gesamtbetrachtung verschiedener Herausforderungen wie z.B. der Niederschlagswasserbewirtschaftung, eröffne aber auch gleichzeitig Potenziale – vor allem durch die Sammlung und Pflege der Daten über den Einsatz eines Kanalinformationssystems (KIS) und die gemeinsame Verwaltung unter Einsatz der Betriebsführungssoftware Opera. Auf diese Weise ergäben sich viele Vorteile in der Praxis, das vorhandene Fachpersonal ließe sich effizient einsetzen, und man könne von weiteren Synergieeffekten, wie z.B. der Datenerfassung und ‑nutzung durch die Gemeinden, der Nutzung einer zentralen Datenbank und des verbesserten Informationsflusses mit den Kommunen sowie externen Firmen profitieren, so Buchmeier.
Kanalsanierung
Prof. Kerres eröffnete den zweiten Seminartag mit einen Impulsvortrag zu Stand und Relevanz einer CO2-Bilanzierung von Kanalbaumaßnahmen. Netzbetreiber könnten und müssten durch geeignete strategische und operative Ansätze einen deutlichen Beitrag zur angestrebten CO2-Neutralität der Städte und Gemeinden leisten erläuterte er und wies auf zu erwartende Unterstützung der Netzbetreiber seitens DWA-Regelwerk hin.
Herr Univ.-Prof. Karsten Körkemeyer, RPTU Kaiserslautern Landau griff das Thema in seinem Vortrag „CO2-Emissionen als Entscheidungskriterium bei der Materialauswahl“ auf und stellte mit an der RPTU entwickelten Klimarechner ein Werkzeug zur überschlägigen Ermittlung von spez. CO2-Emissionen von Kanalbaumaßnahmen dar. Darüber hinaus stellte er mit dem CO2-Schattenpreis ein Konzept vor, welches die Emissionen bei Vergabe von Bauleistungen adäquat berücksichtigt werden könne.
Über die langjährigen Institutserfahrungen zur Instandhaltung von Kanälen mit großen Durchmessern berichtete im Anschluss Martin Liebscher, IKT – Institut für Unterirdische Infrastruktur gGmbH Gelsenkirchen. Großprofile würden sich als Schlagadern der Infrastruktur hinsichtlich struktureller Relevanz und baulich-betrieblichen Randbedingungen deutlich von Haltungen im nicht-begehbarer Nennweite unterscheiden. Zustandserfassung und ‑bewertung müssten zukünftig umfassender unter Berücksichtigung von Risikoaspekten erfolgen als bisher, betonte Herr Liebscher und wies auf ein entsprechendes angestrebtes Forschungsvorhaben des IKT hin.
Philipp Bergmann, RELINEEUROPE GmbH, Rohrbach widmete sich dem Thema der Lebenszyklusanalyse grabenloser Kanalsanierung — Bemessungsstandards und Erkenntnisse und ergänzte somit das eingangs in diesem Block aufgegriffene Thema CO2-Fußabdruck um weitere Aspekte. Inliner stellten, abhängig von den verwendeten Materialien unter vielen Einsatzrandbedingungen eine auch in dieser Hinsicht sinnvolle Alternative zur offenen Bauweise dar.
Infrastruktur und Energie
Christian Mühlhöfer, Swietelsky-Faber GmbH, Landsberg, stellte ein Projekt zur grabenlosen Rohrsanierung im ÖBB Zammertunnel vor und verdeutlichte anhand des Beispiels die effektive Anwendung des TIP-Berst-Pressverfahrens bei stark deformierten DN180-Leitungen. Trotz widriger Randbedingungen, wie beengte Platzverhältnisse und starkverformtes Altrohr konnte der über 40 m lange Abschnitt dank guter Vorbereitungen binnen zweier Tage saniert werden.
Aqib Rehman, DBC Consulting GmbH, Homburg, beschrieb im Anschluss Digitalisierungspotentiale für Grundstücksentwässerungsanträge und Indirekteinleitererfassung. Die von ihm erarbeiteten Methoden würden Prozesse sowohl für den Bürger als auch für die Kommunen deutlich verschlanken und böten sich auch und gerade für kleinere Gemeinden an.
Auch Andreas Mairon, UFT Umwelt- und Fluid-Technik Dr. H. Brombach GmbH, widmete sich mit seinem Vortrag „Überwachung Abwassernetz – Sinnvolle und effiziente Konzeptionierung der Leittechnik unter Berücksichtigung der geforderten IT-/OT-Sicherheitsrichtlinien“ dem Themenfeld Digitalisierung. Er wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass bei der Fernüberwachung von Abwasseranlagen als kritische Infrastrukturen die Aspekte der IT- bzw. Cybersicherheit besonderes zu berücksichtigen seien.
Niklas Ernst, Bluelight GmbH, Stuttgart berichtete über die optimierte Energieeffizienz beim Schlauchlining. Er verdeutlichte, dass der reine Fokus auf geringen CO2-Ausstoß vor Ort den Blick für eine ganzheitlich nachhaltige Betrachtung erheblich verwässern könne und legte dar, dass die gesamte Produktionskette ins Visier genommen werden müsse.
Dr. Christian Falk, hat abschließend aus seiner Erfahrung anhand verschiedener Beispiele die Missstände im Bereich der Bürokratisierung im kommunalen Bereich deutlich gemacht. Lösungsweg sei, dass Betreibern und Bauherren wieder deutlich mehr Eigenverantwortung zugestanden werden müsse. Ebenfalls könnten durch neue Unternehmensstrukturen oder interkommunalen Kooperationsmodellen trotz Fachkräftemangel Kompetenzen beim Betreiber gewahrt bleiben.
Fazit
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Referentinnen und Referenten in ihren Vorträgen zahlreiche Herausforderungen benannt haben, sondern jeweils umfassende und praxisnahe Lösungen für Ingenieurbüros, Dienstleister und Netzbetreiber aufgezeigt haben!
Das 38. Lindauer Seminar findet am 12. und 13.03.2026 statt.












